Gesetz vom 12. April 1803

Da die von der französischen Revolution geschaffene Gewerbefreiheit, in Verbindung mit der Ausdehnung der gewerblichen Großbetriebe durch die mannigfaltigen chemischen und maschinentechnischen Erfindungen, dem gewerblichen Leben einen solchen Auftrieb gegeben hatte, wurde die Neugestaltung der wirtschaftlichen Interessenvertretung unerlässlich und durch eine gesetzliche Regelung organisiert. Das Gesetz vom 22. Germinal des Jahres XI (12. April 1803) der französischen Regierung sah die Schaffung der “Chambres Consultatives de manufactures, fabriques, arts et métiers” (Beratende Kammer für Industrie und das Kleingewerbe) vor. Diese, unter dem Vorsitz des Bürgermeisters stehenden beratenden Kammern, setzten sich aus 6 Mitgliedern zusammen, die entweder Manufakturbesitzer, Fabrikanten oder Fabrikdirektoren sein mussten, oder zumindest einen solchen Beruf während einer Dauer von 6 Jahren ausgeübt hatten. Aufgabe der Kammer war es, die Bedürfnisse und die Verbesserungsmöglichkeiten der Manufakturen, Fabriken, Künste und Gewerbe aufzuzeigen. Die Vorschläge und Berichte der Kammern waren an den zuständigen Unterpräfekten ihres Bezirkes zu senden. Dieser leitete sie, mit seiner Stellungnahme versehen, an den Präfekten weiter, der sie dem Minister unterbreitete.

Gründung am 2. April 1804 durch Napoleon

Als nun am 12. Germinal des Jahres XII, also am 2. April 1804, durch Regierungserlass Napoleons in 154 französischen Städten beratende Kammern errichtet wurden, befanden sich Eupen und Malmedy ebenfalls unter den angeführten Orten. Das Entstehen dieser Kammern verdanken beide Städte der schon damals hochentwickelten Tuchindustrie bzw. Lederverarbeitung. In Eupen fanden die ersten Wahlen am 14. Ventôse des Jahres XIII (5. März 1805) unter dem Vorsitz des damaligen Bürgermeisters Vercken de Vreuschemen statt. Vorhergehende Anweisungen wurde durch den Präfekten bezüglich der Fabrikanten und Gewerbetreibenden gegeben, aus deren Reihe die Mitglieder der Konsultativen Kammer zu wählen waren. Ab dem Jahr 1805 bis 1814 erstattete die Kammer dem Innenminister regelmäßig Bericht über den Stand der hiesigen Fabriken, insbesondere der Tuchmanufaktur, und deren Produktion. Die Ausfuhrländer waren u.a. Russland, Dänemark, Polen, Deutschland, die Levante (Vorderasien), Spanien und Frankreich. Die Kammer richtete in der Zeit verschiedene Bitten an den Kaiser. Interessant ist ferner, dass mit dem Jahre 1806 für die Tuchfabrikation in Eupen durch die Einführung von Rauh- und Schärmaschinen eine vollständige Umwälzung der bisherigen Arbeitsmethoden erfolgte. 1807 wurde die erste mechanische Wollspinnerei errichtet, gefolgt ab 1808 von mehreren größeren Fabrikanlagen.

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Durch Regierungserlass Napoleons wurden 1804 in 154 französischen Städten beratende Kammern errichtet. Eupen und Malmedy befanden sich ebenfalls unter den angeführten Orten.
Durch Regierungserlass Napoleons wurden 1804 in 154 französischen Städten beratende Kammern errichtet. Eupen und Malmedy befanden sich ebenfalls unter den angeführten Orten.

Die Periode 1814-1822

Mit dem Vormarsch der alliierten Truppen, deren Vorhut am 21. Januar 1814 in Eupen eintraf, begann für Eupen sowie für die Kammer ein neuer Geschichtsabschnitt. Mit dem Absägen des Freiheitsbaumes am 30. Januar 1814 hörte die französische Herrschaft auf und mit ihr auch die guten Geschäftsverbindungen, die mit Frankreich angeknüpft worden waren. Die Anordnungen der neuen Machthaber ließen nicht lange auf sich warten. Auf Befehl des Generals Baron de Winzingerode in dessen Hauptquartier zu Binche am 28.01.1814 mussten die Tuchlieferungen sofort an die Invasionsarmee erfolgen. Aus der Aufstellung der Mengen, die von den einzelnen Städten des Départements de l’Ourthe zu liefern waren, geht hervor, dass die Tuchfabrikation in Eupen die bedeutendste im gesamten Département war. Da die Bezahlung mittels noch einzuziehender Steuern erfolgte sollte, intervenierte die Kammer damals beim Prinzen von Schweden und wies auf die katastrophale Lage der Eupener Tuchfabrikanten hin, die nunmehr vollständig von Frankreich abgeschnitten waren, wo sie den größten Teil ihres Vermögens in Form von gewaltigen Tuchlagern und Forderungen aus Tuchlieferungen hatten. Nach dem Sieg der Verbündeten über Frankreich legte der Wiener Kongress 1814-1815 die endgültigen Grenzen Frankreichs fest. Eupen, das Preußen endgültig zugeschlagen wurde, lag jetzt an der äußersten Grenze und wurde also von den Ortschaften und der Provinz getrennt, die seit alten Zeiten in Bezug auf die Tuchindustrie ein Ganzes ausmachten und engstens mit diesem Gewerbe verbunden waren. Eupen war damit isoliert. Die Kammer blieb unter preußischer Herrschaft weiterbestehen. Die in französischer Zeit entstandenen Bestimmungen über die beratende Kammer, blieben in der preußischen Zeit nicht nur unverändert, sondern die Regierung griff in die bis 1822 ruhenden Ergänzungswahlen ein und überwachte diese seit dieser Zeit genau. Nach dem Tod des Bürgermeisters Vercken de Vreuschemen 1818 versah der Fabrikant Gerh. Wilhelm Hüffer die Verwaltung des Bürgermeisteramtes und damit auch der konsultativen Kammer.

Die Periode 1822-1857

Als Andreas Grand’Ry 1822 Bürgermeister der Stadt Eupen und gleichzeitig auch Kammerpräsident wurde, trat eine Änderung ein. Erstmalig seit Bestehen der Kammer wurde in der Person des damaligen Stadtsekretärs De Bey ein Kammersekretär ernannt. Die Lage der heimischen Industrie seit der Zugehörigkeit zu Preußen war bis dahin äußerst schlecht. Die Fabrikanten hatten durch die Trennung von Frankreich, wo sie große Lager unterhielten, Unsummen verloren. Ferner beeinträchtigten die strengen Maßnahmen des Auslandes die heimische Industrie, besonders aber diejenigen Frankreichs, das ein feindseliges, prohibitives Zollsystem hatte und außerdem noch Ausfuhrprämien für eigene Tuche gewährte. Die Not in der Zeit war groß, Fabrikanten und wohlhabende Bürger spendeten nach Kräften. Noch 1823 ruft die Kammer die Fabrikanten zu einer Besprechung zusammen über die weitere Unterstützung der arbeitslosen Fabrikarbeiter zusammen. Um diese Zeit wird ebenfalls eine Krankenkasse für Fabrikarbeiter gegründet. Zahlreiche Eingaben und Beschwerden der hiesigen Industriellen an die jeweils zuständige Regierungsstelle prägen die Tätigkeit der Kammer : Probleme wegen der Austrocknung der Waldungen und des Venns und dessen Einfluss auf den Wasserspiegel der Weser, Schutz der Fabrikzeichen, Festhalten an der Maas-Rhein-Verbindung anstatt der durch das Niederländische Gouvernement geförderte Projekt der Verbindung der Maas mit der Mosel, Gründung eines Wollmarktes und der Errichtung einer Leihbank in Aachen. Als am 23. Mai 1831 die Handelskammer Düsseldorf ein neues Statut erhielt, das für alle Handelskammern der Rheinprovinz gültig sein soll, fanden Ende 1831 in Eupen und Malmedy ebenfalls Wahlen statt zur Neubildung der jeweiligen Handelskammer. Bald musste jedoch festgestellt werden, dass die Verfügungen über die Neuorganisation der Handelskammern nicht auf die Konsultativen Kammern anzuwenden waren. Diese blieben in ihrer bisherigen Form weiter bestehen. 1834 wird die Konsultative Kammer zu Aachen aufgelöst und an deren Stelle eine Handelskammer errichtet. Die Geschäftslage war zu dieser Zeit fortwährend gut, da die angeknüpften Geschäfte zur Levante über Wien und Triest an Bedeutung zugenommen hatten. Die bedeutende Stückzahl Tuch wurde um 1830 auf rund 1000 Webstühlen fabriziert. Die dazu benötigte Wolle kam von den hiesigen sowie den benachbarten belgischen Spinnereien, die aus der Zeit vor 1815 noch auf diese Arbeit eingestellt war. 1838 erhielt die Stadt Eupen einen neuen Bürgermeister und die Kammer hiermit einen neuen Präsidenten, Herrn Peter Dr. Ney. 1846 wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht zweckmäßiger sei, auch in Eupen eine Handelskammer aufgrund des neuen Statuts einzurichten. Trotz der Billigung des geplanten Vorhabens von den höheren Behörden wurde in der Sitzung vom 16. November 1846 beschlossen, von der Einrichtung einer solchen einstweilen abzusehen, weil bei den bedrängten Zeiten die Zustimmung der Gewerbetreibenden zu den entsprechenden Kosten nicht zu erwarten sei. Am 26. September 1846 beauftragt der provisorische Bürgermeister Harenne bis auf Widerruf den beigeordneten Bürgermeister Julius The Losen mit dem Vorsitz der Kammer. In der Sitzung der Kammer vom 4. April 1848 wurde die Umwandlung der konsultativen Kammer zu einer Handelskammer nach dem Gesetz vom 11. Februar 1848 einstimmig beschlossen. Ferner wurde ein Komitee gewählt, das unverzüglich bei der Regierung vorstellig werden sollte, um die inzwischen schwierige Lage der hiesigen Gewerbetätigkeit zu schildern, und um Unterstützung seitens der Königlichen Bank zu bitten. Da die vorstehend geschilderte Lage wohl im ganzen Regierungsbezirk Aachen die gleiche gewesen sein muss, bewilligte der Finanzminister einen Fonds von 100.000 Talern, davon 40.000 für die Stadt Aachen und 60.000 für den übrigen Bezirk. Durch Vermittlung der Kammer wurde 1848 ein Depot der Königlichen Darlehenskasse in Eupen errichtet. Am 28. Oktober 1848 stellte die Kammer an die Königliche Regierung den offiziellen Antrag zur Errichtung einer Handelskammer nach dem o.g. Gesetz und fügte diesem Antrag den Entwurf eines Geschäfts-Reglements bei. Diesen Antrag beantwortete die Königliche Regierung zu Aachen erst Ende 1850, und zwar mit dem Bescheid, dass diese Angelegenheit noch nicht spruchreif sei. Eupen habe zwar eine bedeutende Fabrikindustrie, diese Tatsache allein genüge jedoch nicht, um eine Handelskammer gemäß der Verordnung vom 11. Februar 1848 über die Handelskammern zu bilden.

Eine Zeichnung der Tuchfabrik Wilhelm Peters & C° im Eupener Langesthal aus dem Jahre 1853
Eine Zeichnung der Tuchfabrik Wilhelm Peters & C° im Eupener Langesthal aus dem Jahre 1853

Darüber hinaus wurde angeregt, um einen möglichst ausgedehnten Bereich zu vertreten, Rücksprache mit Malmedy und Montjoie zu nehmen. Da man aber von keiner Seite dem Projekt das notwendige Interesse entgegenbrachte, man vielmehr die Beibehaltung des damaligen Zustandes wünschte, schlummerte diese Angelegenheit bis 1857. In der Sitzung vom 25. November 1857 wurde die Errichtung einer Handelskammer nach der neuen Verordnung erneut aufgegriffen. Ein neuer Antrag erfolgt mit Schreiben vom 11. Dezember 1857 an den Landrat v. Harenne. Die Lage der heimischen Industrie in den Jahren 1843 bis 1858 war wechselhaft. Schlechte Zeiten wechselten sich mit vorübergehenden Besserungen ab. Die Hauptabsatzmärkte der Tuchindustrie waren die Levante, die Vereinigten Staaten v. Amerika, China, der Zollverein, Holland, Italien und die Schweiz. Die Streichgarnspinnereien, Maschinenfabriken, Lederfabriken und Gerbereien waren ebenfalls ziemlich bedeutend.

Weiter mit Teil 2: 1858 bis 1918

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